1. Kontinuität der Mitgliedschaft

301

Die Gesellschafter der fusionierenden Gesellschaft haben einen Anspruch ­darauf, ihre bisherige Mitgliedschaft in der aus der Fusion herausgehenden Rechtseinheit fortsetzen zu können. Direkt relevant ist diese Kontinuität der Mitgliedschaft für die Gesellschafter der übertragenden, in der Fusion untergehenden Gesellschaft. Ihre Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte sind durch gleichwertige Beteiligungsrechte am fusionierten Unternehmen zu ersetzen. Eine technische Ausnahme von diesem Grundsatz sieht Art. 7 Abs. 2 FusG mit dem sogenannten Spitzenausgleich durch Barzahlung bis zu einer Höhe von max. 10 % des wirklichen Werts der betroffenen Anteile vor.542 Demgegenüber be­­inhaltet Art. 8 FusG zwei Sachverhalte, in denen die mitgliedschaftliche Kontinuität entfällt: Den Gesellschaftern der übernommenen Gesellschaft kann wahlweise statt der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden Gesellschaft eine Abfindung angeboten werden oder es kann – vorausgesetzt, dass 90 % der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zustimmen (Art. 18 Abs. 5 FusG) – ausschliesslich eine Abfindung angeboten werden.543

302

Die Kontinuität der Mitgliedschaft war schon im früheren rudimentären Fu­­sionsrecht des OR ein Wesensmerkmal der Fusion.544 Nach altem wie nach geltendem Recht bezieht sich der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft formell auf die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft. Der Gesetzgeber erkennt nur auf deren Seite eine Schutzlücke, die durch eine konkrete Anordnung zu schliessen ist (Art. 7 Abs. 1 FusG). Diese formell einseitige Regelung ist insofern erklärbar, als sich die Stellung der Gesellschafter auf der übertragenden Seite durch die Fusion in der Regel stärker verändert als auf der übernehmenden Seite. Für die Gesellschafter der untergehenden Einheit bedeutet die Fusion eine Investition in eine andere Rechtseinheit, deren Rechtsform allenfalls sogar von jener der übertragenden Gesellschaft abweicht, deren Exekutivorgan personell meist anders besetzt ist und die häufig auch in anderen Geschäftsfeldern tätig ist. Entsprechend vielfältig können die mit einer Fusion verbundenen Veränderungen für die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft sein. Gegenüber den Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft sind z.B. die von ihnen selbst gewählten Organe für die getreue und sorgfältige Aushandlung des Fusionsvertrags und für die Umsetzung der Fusion verantwortlich. Die Beziehung zu den Organen und die mitgliedschaftliche Stellung müssen für die Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft im Rahmen der Durchführung der Fusion erst erstellt werden.

303

Der Grundsatz der mitgliedschaftlichen Kontinuität garantiert die Überführung der früheren in die neue mitgliedschaftliche Beziehung und stellt damit die Aktionäre beider fusionierenden Gesellschaften auf die gleiche Ebene. Die Fusion betrifft damit auch die Stellung der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft: Aus ihrer Sicht bringt der Zusammenschluss vor allem eine Verwässerung ihres bisherigen relativen Stimmrechts. Die Folgen sind vergleichbar mit einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Gesellschafter. Das wirtschaftliche Risiko der Fusion tragen sämtliche Gesellschafter, und zwar proportional zu ihren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. Entsprechend besteht auf beiden Seiten ein Schutzbedürfnis. Diesem Umstand trägt das Fusionsgesetz insofern Rechnung, als die Mitwirkungs- und Informationsrechte ebenso wie die Rechtsbehelfe nach Art. 105 ff. FusG den Gesellschaftern aller an der Fusion beteiligten Gesellschaften offenstehen.545 Die Notwendigkeit und Rechtfertigung einer solchen symmetrischen Behandlung bei der Gesellschaftergruppe ergibt sich auch aus der Tatsache, dass bei Fu­­sionen in den meisten Fällen frei darüber entschieden werden kann, welche Gesellschaft überträgt bzw. übernimmt. Wäre nur die eine Gesellschaftergruppe geschützt, könnte dieser Schutz durch entsprechende Gestaltung der Transaktion hinfällig gemacht werden. Für beide Gesellschaftergruppen un­­mittelbar relevant ist die Garantie der Kontinuität der Mitgliedschaft bei der Kombinationsfusion (und bei der Spaltung zur Neugründung), da hier beide Gesellschaften ihr Unternehmen übertragen und anschliessend aufgelöst werden.546

304

Als Gesellschafter, die aus Art. 7 FusG Ansprüche ableiten können, gelten gemäss Art. 2 lit. f und g FusG alle Inhaber von Anteilsrechten wie Aktien, Partizipations- oder Genussscheinen sowie die Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und von Genossenschaften mit oder ohne Anteilscheine. Ebenfalls geschützt sind die Gesellschafter einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft sowie die Mitglieder von Vereinen; sie alle ver­fügen zwar nicht über Anteilsrechte, wohl aber über Mitgliedschaftsrechte im Sinne des Fusionsgesetzes.547

305

Nicht explizit geregelt ist die Rechtsstellung der Inhaber von Wandel- und Op­­tionsrechten auf Anteilsrechte an einer der fusionierenden Gesellschaften. Die Berechtigten sind keine Gesellschafter i.S.v. Art. 2 lit. f oder g FusG. Aus der Sicht des Fusionsgesetzes wären sie deshalb grundsätzlich als Gläubiger zu betrachten, deren Schutz sich nach Art. 25 und 26 FusG richtet.548 Dies erscheint insofern nicht sachgerecht, als die Inhaber von Wandel- und Op­­tionsrechten gesellschaftsrechtlich eine qualifizierte Rechtsstellung einnehmen, wenn ihre Ansprüche mit bedingtem Kapital gesichert sind.549 Inhaber von Wandel- und Optionsrechten der übertragenden Gesellschaft sind daher nicht durch den fusionsrechtlichen Grundsatz der mitgliedschaftlichen Kon­tinuität, sondern in erster Linie durch finanzielle Ansprüche gegenüber der übertragenden Gesellschaft selbst geschützt. Die Folgen einer Fusion (oder einer Kapitalveränderung) für Wandel- und Optionsrechte sind regelmässig in den Anleihensbedingungen enthalten; zur Beurteilung der Rechtsstellung von Wandel- und Optionsberechtigten ist primär auf diese vertragliche Vereinbarung abzustellen. Die Ansprüche der Wandel- und Optionsberechtigten gegen die übertragende Gesellschaft werden aufgrund der Universalsukzession schliesslich zu Verpflichtungen der fusionierten Gesellschaft. Ist ein Optionsrecht an den Besitz eines Anteilsrechts gebunden, so kann dieses auch als Sonderrecht i.S.v. Art. 7 Abs. 5 FusG abgegolten werden.550

1.1 Wahrung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte
  1. Grundlagen
    306

    Die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter beider fusionierenden Gesellschaften werden über das Umtauschverhältnis in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der aus der Fusion herausgehenden Gesellschaft umgesetzt. Aus der Sicht der Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft bestimmt das Umtauschverhältnis, welche Stellung sie innerhalb der aus der Fusion hinausgehenden Gesellschaft haben werden. Insofern konkretisiert das Umtauschverhältnis den Anspruch der Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft auf mitgliedschaftliche Kontinuität. Zudem betrifft das Umtauschverhältnis gleichermassen die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft, da mit der Festlegung des Umtauschverhältnisses auch die Stellung bzw. das Verhältnis zwischen sämtlichen Aktionären in der fusionierten Gesellschaft geregelt wird. Unter den Gesellschaftergruppen handelt es sich dabei, was die Mitgliedschafts- und was die Vermögensrechte angeht, um ein Nullsummenspiel: Was den Gesellschaftern der übernommenen Gesellschaft zukommt, geht den Gesellschaftern der übernehmenden Gesellschaft ab und umgekehrt. Die Festsetzung des Umtauschverhältnisses ist deshalb für die Gesellschafter beider fusionierenden Gesellschafter von gleicher Bedeutung. Insofern gibt Art. 7 Abs. 1 FusG die Rechtslage verkürzt wieder, indem festgehalten wird, dass die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft «Anspruch auf Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an der übernehmenden Gesellschaft [haben], die unter Be­­rücksichtigung des Vermögens der beteiligten Gesellschaften der Verteilung der Stimmrechte sowie aller anderen relevanten Umstände ihren bisherigen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten entsprechen.» Die Gesellschafter der übernehmenden und der übernommenen Gesellschaft sind in gleicher Weise an der äquivalenten Fortführung ihrer Anteils- und Mitgliedschaftsrechte interessiert und sie wären auch in gleicher Weise von einer allfälligen unangemessenen Festsetzung des Umtauschverhältnisses betroffen. Konsequenterweise gibt Art. 105 FusG den Gesellschafter beider fusionierenden Gesellschaften einen Anspruch auf angemessene Wahrung ihrer Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte.551

    307

    Speziell geregelt wird der Umgang mit Sonderrechten, wie sie z.B. Stimmrechts- oder Vorzugsaktien vermitteln, sowie mit Genuss- und Anteilscheinen (Art. 7 Abs. 3–6 FusG). Der Gesetzgeber verfolgt in diesen Fällen einen pragmatischen Ansatz: Bei der konkreten Gestaltung der mitgliedschaftlichen Kontinuität besteht ein beträchtlicher Handlungsspielraum. Sonderrechte in der übertragenden Gesellschaft müssen also nicht eins zu eins durch Sonderrechte in der übernehmenden Gesellschaft ersetzt werden.

    308

    Die zentrale Bedeutung des Umtauschverhältnisses für die relative Stellung der an der Fusion beteiligten Gesellschaftergruppen widerspiegelt sich auch im Fusionsverfahren: Das Umtauschverhältnis muss zwingend im Fusionsvertrag festgelegt sein und somit von den betroffenen Gesellschaftern genehmigt werden.552 Sodann muss der Fusionsbericht das Umtauschverhältnis im Detail erläutern und begründen.553 Sofern es die Wahrung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte erfordert, muss die übernehmende Gesellschaft ihr Kapital erhöhen.554 Ist die übernehmende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, so hat ein zugelassener Revisionsexperte die Vertretbarkeit des Verhältnisses zu prüfen und festzustellen, ob die geplante Kapitalerhöhung ausreicht, um die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte angemessen zu wahren.555 Weiter müssen alle ge­­nannten Fusionsdokumente den Gesellschaftern vor der Beschlussfassung zur Einsicht aufliegen.556 Nebst den präventiven Behelfen sieht das Gesetz mit der Überprüfungsklage nach Art. 105 FusG für den Fall der unangemessenen Festsetzung des Umtauschverhältnisses eine nachträgliche Kompensation durch Ausgleichszahlung vor.

    309

    Der Anspruch auf Ausrichtung der neuen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte entsteht – sofern keine abweichende Regelung getroffen wird – mit der Eintragung der Fusion ins Handelsregister (Art. 22 Abs. 1 FusG). Gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. e FusG hat der Fusionsvertrag auch festzulegen, ab welchem Zeitpunkt die neuen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte zu einem Gewinnanteil berechtigen und welche Besonderheiten dabei gelten. Allfällige Pfand- und Nutzniessungsrechte Dritter an den Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten er­­strecken sich grundsätzlich auch auf die neuen Rechte. Das ergibt sich nebst dem der Fusion zugrunde liegenden Grundsatz der Universalsukzession ins­besondere aus dem Gedanken der Kontinuität der Mitgliedschaft.557 Bei obligatorischen Ansprüchen ist in der Regel durch Auslegung zu ermitteln, ob die Fusion einen Anspruch zugunsten eines Dritten auslöst.558

  2. Gesellschafter ohne Anteilscheine
    310

    Fusioniert eine Gesellschaft ohne Anteilscheine, wie z.B. eine Kollektivgesellschaft oder ein Verein mit einer Kapitalgesellschaft, so haben die Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft – also die Kollektivgesellschafter oder Vereinsmitglieder – Anspruch auf mindestens einen Anteil an der übernehmenden Gesellschaft (Art. 7 Abs. 3 FusG). Waren die Gesellschafter vor der Fusion stimmberechtigt, so müssen ihnen die neuen Anteilscheine, dem Grundsatz von Art. 7 Abs. 1 FusG entsprechend, wiederum ein Stimmrecht vermitteln. Der Anspruch auf einen Anteil ist nicht gewahrt, wenn den Gesellschaftern lediglich Bezugsrechte auf Anteile an der übernehmenden Gesellschaft eingeräumt werden oder wenn ihnen die Anteile nur gegen Liberierung gewährt werden.559

  3. Anteile ohne Stimmrecht
    311

    Für einen Anteil ohne Stimmrecht muss den Gesellschaftern der übertragenden Einheit gemäss Art. 7 Abs. 4 FusG ein gleichwertiger Anteil an der übernehmenden Gesellschaft ohne Stimmrecht oder ein Anteil mit Stimmrecht ein­geräumt werden. Die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft müssen also möglicherweise in Kauf nehmen, dass sich ihre relative Stimmkraft in der fusionierten Gesellschaft als Folge der Ausgabe von Anteilen mit Stimmrechten an Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft, die zuvor nicht stimmberechtigt war, reduziert. Immerhin kommt dem Stimmrecht in aller Regel ein Wert zu, was bei der Festsetzung des Umtauschverhältnisses mit in Betracht zu ziehen ist.560 Primärer Anwendungsfall dieser Bestimmung sind Partizipa­tionsscheine. Nicht unter die Bestimmung fallen im Übrigen Sachverhalte des ruhenden oder nicht ausübbaren Stimmrechts.561 Ein Aktionär, dessen kotierte Aktien z.B. aufgrund einer Prozentvinkulierung zum Teil nur ohne Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen sind, muss sich für diese Aktien nicht etwa mit der Einräumung von Partizipationsscheinen zufriedengeben.

  4. Sonderrechte
    312

    Allfällige Sonderrechte, die mit den umzutauschenden Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten verbunden sind (beispielsweise bei Vorzugs- oder Stimmrechtsaktien), vermitteln ihren Inhabern in der Fusion gemäss Art. 7 Abs. 5 FusG einen Anspruch auf gleichwertige (Sonder-)Rechte oder auf eine Abgeltung derselben. Die Sonderrechte werden also ausschliesslich wertmässig geschützt.562 Falls rechtlich machbar, kann den Inhabern von Sonderrechten die Wahl zwischen der Einräumung von Sonderrechten oder einer Abgeltung offeriert werden. Zwingend ist dies jedoch nicht. Eine ausschliessliche Abgeltung der Sonderrechte ist nicht von einer gesonderten Zustimmung der betroffenen Inhaber abhängig. Sonderversammlungen sind im Fusionsgesetz allgemein nicht vorgesehen. Gegenteilige Bestimmungen in anderen Gesetzen, namentlich im Obligationenrecht563, treten gegenüber der fusionsrechtlichen lex specialis zurück.564 Die Abgeltung eines Sonderrechts ändert nichts daran, dass die zugrunde liegenden Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte bei der Fusion angemessen gewahrt bleiben müssen. Gegenstand einer allfälligen Abgeltung ist denn auch nur das Sonderrecht als solches. Sollte demgegenüber der Anteil als Ganzes abgegolten werden, so wäre das erhöhte Quorum von Art. 18 Abs. 5 FusG einzuhalten.565

  5. Genussscheine
313

Obwohl die Inhaber von Genussscheinen definitionsgemäss zu den Gesellschaftern i.S.v. Art. 2 lit. f und g FusG zählen, haben sie keinen uneingeschränkten Anspruch auf Kontinuität der Mitgliedschaft. Der fusionierenden Gesellschaft steht nach Art. 7 Abs. 6 FusG nämlich die Wahl zu, den Inhabern von Genussscheinen alternativ gleichwertige Rechte anzubieten oder sie zum wirk­lichen Wert ihrer Titel auszukaufen. Die fusionierende Gesellschaft kann den Inhabern von Genussscheinen somit ein Wahlrecht zwischen gleichwertigen Rechten und Abfindung einräumen. Notwendig ist dies allerdings nicht. Sieht der Fusionsvertrag für Genussscheine nur eine Abfindung vor (Art. 13 Abs. 1 lit. c FusG), bedarf es deswegen keines besonderen, qualifizierten Zustimmungsquorums für die Beschlussfassung der Gesellschafter.566 Auch ein spe­zieller Genehmigungsbeschluss der betroffenen Inhaber von Genussscheinen ist nicht erforderlich.567 Die Bestimmungen des Fusionsgesetzes gehen als lex specialis Art. 657 Abs. 4 OR vor, welcher für den Verzicht auf Rechte aus Genussscheinen grundsätzlich die Genehmigung durch die Mehrheit aller Genussscheininhaber vorsieht.568

1.2 Festlegung des Umtauschverhältnisses
314

Bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses sind gemäss Art. 7 Abs. 1 FusG das Vermögen der beteiligten Gesellschaften, die Verteilung der Stimmrechte sowie alle anderen relevanten Umstände zu berücksichtigen. Das Umtauschverhältnis muss angemessen sein, was sich aus der gesetzlichen Bestimmung über die Überprüfungsklage nach Art. 105 FusG ausdrücklich ergibt.569

  1. Vermögen der beteiligten Gesellschaften
    315

    Das Vermögen der an der Fusion beteiligten Gesellschaften ist in der Regel der bedeutendste Faktor für die Festlegung des Umtauschverhältnisses.570 Die Unternehmenswerte der fusionierenden Gesellschaften sind einzeln, d.h. auf einer «Stand alone»-Basis, zum Fortführungswert und nach anerkannten Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre zu ermitteln.571 Die Bedeutung des Unternehmenswerts bei der Fusion zeigt sich auch in Art. 105 FusG: Werden die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht angemessen gewahrt, so können die Gesellschafter auf Ausrichtung eines wertmässigen Ersatzes in Form einer Ausgleichszahlung klagen; einen mitgliedschaftsrechtlichen Ausgleich für die verlorene Gesellschafterposition kann das Gericht jedoch nicht zusprechen.572

    316

    Kein Gesellschafter soll durch die Fusion wirtschaftlich schlechtergestellt werden. Massgebend ist die Ex-ante-Beurteilung der Unternehmenswerte der an der Fusion beteiligten Gesellschaften zum Zeitpunkt, in dem der Fusionsvertrag ausgehandelt und genehmigt wird. In der Praxis erfolgt die Bewertung aus praktischen Gründen oft auf einen früheren, jedoch maximal sechs Monate vor dem Vertragsschluss liegenden Zeitpunkt hin.573

    317

    Für die konkrete Berechnung des Umtauschverhältnisses – isoliert betrachtet nach dem Vermögen der beteiligten Gesellschaften – kann folgende Formel herangezogen werden:

    X = (U1 : A1) / (U2 : A2)

    X = Anzahl Anteile (Aktien), welche die übernehmende Gesellschaft für einen Anteil (Aktie) der übertragenden Gesellschaft ausrichtet = Umtauschverhältnis

    U1 = Unternehmenswert der übertragenden Gesellschaft

    U2 = Unternehmenswert der übernehmenden Gesellschaft

    A1 = Anzahl der Anteile (Aktien) der übertragenden Gesellschaft

    A2 = Anzahl der Anteile (Aktien) der übernehmenden Gesellschaft vor der Fusion (d.h. auch vor einer allfälligen transaktionsbezogenen Kapital­erhöhung)

    Aus dem Umtauschverhältnis (X) kann sodann berechnet werden, welche Anzahl von Anteilen (Aktien) die übernehmende Gesellschaft insgesamt bereitstellen bzw. durch Kapitalerhöhung schaffen muss, um die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu entschädigen: Diese Zahl ergibt sich aus der Multiplikation des Umtauschverhältnisses (X) mit der Anzahl Anteile (Aktien) der übertragenden Gesellschaft (A1), d.h. X × A1.

    318

    Die dargestellte Formel geht davon aus, dass beide Gesellschaften je nur eine Kategorie von Anteilen aufweisen. Hat eine Gesellschaft Anteile mit unterschiedlichen Nennwerten (d.h. Stimmrechtsaktien) ausgegeben, so muss durch eine Umrechnung zunächst eine einheitliche Grösse geschaffen werden.574 Das Ergebnis einer solchen Berechnung nach der vorstehenden Formel ist jedoch nur ein Ausgangspunkt. Das Umtauschverhältnis muss daneben auch allen anderen in Art. 7 FusG genannten Anforderungen genügen.

  2. Stimmrechte
    319

    Art. 7 Abs. 1 FusG verschafft grundsätzlich keinen Anspruch auf Beibehaltung der bisherigen Stimmkraft.575 Ein absoluter Schutz des Stimmrechts wäre in den allermeisten Fällen gar nicht realisierbar, da die Fusion nicht nur eine Änderung der Kapitalstruktur, sondern vor allem auch eine Erhöhung der Zahl der Gesellschafter mit sich bringt. Das Umtauschverhältnis ist deshalb so festzu­setzen, dass die bisherigen Stimmrechte im Rahmen des Fusionszwecks und im Einklang mit den involvierten rechtsformspezifischen Gesellschaftsordnungen angemessene Berücksichtigung finden. Fusionieren beispielsweise zwei Aktiengesellschaften, so muss dem Aktionär der übertragenden Gesellschaft auch in der übernehmenden Aktiengesellschaft ein Stimmrecht zustehen (Art. 692 Abs. 2 OR). Ausgangspunkt dafür ist die bisherige Kapitalbeteiligung des Ak­tionärs. Aufgrund der Kapitalerhöhung macht diese in der fusionierten Gesellschaft allerdings einen kleineren Anteil am Gesamtkapital aus als in der bisherigen Gesellschaft. Die Stimmkraft des einzelnen Ak­tionärs wird damit verwässert. Diese Verwässerung wird allerdings durch den Fusionszweck legitimiert. In der Kapitalerhöhung, die notwendig wird, um die Aktien für die Aktionäre der übernommenen Gesellschaft bereitzustellen, gilt die Fusion denn auch als «Übernahme eines Unternehmens» und damit als wichtiger Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft i.S.v. Art. 652b Abs. 2 OR.

    320

    Bei der Verteilung der Stimmrechte ist dem Verhältnis zwischen Kapitaleinsatz und Stimmrechten der Gesellschafter angemessen Rechnung zu tragen.576 Stimmrechtsaktien können z.B. privilegiert abgegolten werden, wenn die verstärkte Stimmkraft in der übernommenen Gesellschaft einen ökonomischen Mehrwert repräsentiert hat, was nicht immer der Fall sein muss. Bei Publikumsgesellschaften mit sehr breit gestreutem Aktionariat liegt der Börsenkurs für Stimmrechtsaktien in vielen Fällen nicht höher als derjenige für übrige Aktien. Unter diesen Umständen wäre eine privilegierte Berücksichtigung von Stimmrechtsaktien nur schwer zu begründen. Stimmrechtsaktien können im Übrigen auch als Sonderrechte i.S.v. Art. 7 Abs. 5 FusG behandelt werden.577 Ein Ausgleich durch Zuteilung gleichwertiger Rechte oder durch eine angemessene Abgeltung ist allerdings auch nach diesen Bestimmungen nur gerechtfertigt, wenn die Stimmrechtsaktien tatsächlich einen ökonomischen Mehrwert aufgewiesen haben. Beschränkt die Fusion die Stimmprivilegien einzelner Aktionärsgruppen (z.B. Stimmrechtsaktien nach Art. 693 OR), so sind die aktienrechtlichen Gebote der schonenden Rechtsausübung und der relativen Gleichbehandlung zu beachten. Insbesondere muss die ungleiche Beschränkung von Aktionärsrechten durch das Gesamtinteresse der Gesellschaft gerechtfertigt sein.578 Ein wohlerworbenes Recht auf Erhaltung bestimmter Aktienkategorien ist dem Aktienrecht fremd.579 Das Fusionsgesetz sieht im Übrigen, wie erwähnt, keine Sonderversammlungen von Aktionärsgruppen vor, deren Stimmmacht durch die Fusion beschränkt wird. Demnach ist auch kein besonderer Zustimmungsbeschluss durch eine Sonderversammlung für die Fusion erforderlich.580

    321

    Besonders anspruchsvoll kann sich die angemessene Berücksichtigung der Stimmrechte bei rechtsformübergreifenden Fusionen gestalten, da hier nicht auf eine einheitliche Gesellschaftsordnung abgestellt werden kann. So klar wie bei einer Genossenschaft das Kopfstimmrecht gilt, so klar ist auch, dass daraus kein Anspruch auf Beibehaltung besteht, wenn die Genossenschaft von einer Aktiengesellschaft übernommen wird.581 Alles andere würde die Zulässigkeit der rechtsformübergreifenden Fusion grundsätzlich infrage stellen. Ob die Stimmrechte angemessen berücksichtigt werden, lässt sich bei einer rechtsformübergreifenden Transaktion nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung der rechtsformspezifischen Bestimmungen beurteilen. Das Fusionsgesetz hält dazu ausschliesslich fest, dass Gesellschafter ohne Anteilscheine bei Übernahme ihrer Gesellschaft durch eine Kapitalgesellschaft Anspruch auf mindestens einen Anteilschein mit Stimmrecht haben (Art. 7 Abs. 3 FusG).582

  3. Andere relevante Umstände
    322

    In der Praxis dürfte das dritte und letzte Kriterium von Art. 7 Abs. 1 FusG die grösste Herausforderung darstellen, nämlich die Berücksichtigung «aller anderen relevanten Umstände». Die Botschaft nennt beispielsweise Synergien oder Entwicklungsmöglichkeiten und weist gleichzeitig darauf hin, dass den Fusionsparteien diesbezüglich ein Verhandlungsspielraum zusteht. Die Gesellschafter haben Anspruch darauf, dass das Umtauschverhältnis nach rationalen Kriterien festgelegt wird oder sie geniessen, umgekehrt gesagt, Schutz vor willkür­licher Festsetzung des Umtauschverhältnisses.583

  4. Spitzenausgleich
323

Nach Art. 7 Abs. 2 FusG darf den Gesellschaftern eine Ausgleichszahlung (Spitzenausgleich) ausgerichtet werden. Diese darf maximal 10 % des wirklichen Werts der zu gewährenden Anteile an der übernehmenden Gesellschaft erreichen.584 Quantitativ ist der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft damit auf 90 % des Beteiligungswerts beschränkt. Umstritten ist in der Lehre, ob die 10 %-Grenze auf die jedem einzelnen Anteilsinhaber gewährten Anteile Anwendung findet oder ob bei der Bemessung der Ausgleichszahlung auf die Gesamtheit der gewährten Anteile abzustellen ist. Unseres Erachtens ist der zulässige Maximalbetrag für jeden einzelnen Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu berechnen. Das Maximum von 10 % bemisst sich im Verhältnis zu den neuen Anteilsrechten an der fusionierten Gesellschaft und beträgt deshalb weniger als 10 % der alten Anteilsrechte, die der einzelne Gesellschafter der übertragenden Einheit bei der Fusion aufgeben muss.585 Die flexible ­Möglichkeit der Gewährung eines Spitzenausgleichs kommt dem praktischen Bedürfnis entgegen, aufgrund des konkreten Umtauschverhältnisses entstehende Bruchteile von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten auszugleichen. Allerdings können solche Bruchteile in der Praxis in den meisten Fällen586 dadurch vermieden werden, dass die fusionierenden Gesellschaften vorab etwa einen Aktiensplit vornehmen, Dividenden ausschütten oder ihr Kapital anderweitig anpassen.587 Eine Ausgleichzahlung hat grundsätzlich in Geld zu erfolgen. Die Entrichtung eines Spitzenausgleichs mittels Sachleistung ist zu vermeiden: Eine solche Einschränkung der mitgliedschaftlichen Kontinuität ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Realisierung der Umstrukturierung zwingend notwendig ist. Ausgleichszahlungen in der Form von Sachleistungen müssten jedenfalls die aktienrechtlichen Bestimmungen betreffend die Ausschüttung von Sachdividenden berücksichtigen.588 Aufgrund des Wortlauts von Art. 7 Abs. 2 FusG kann die Ausgleichszahlung nur für die Gesellschafter der übertragenden Einheit vorgesehen werden.

324

Ohne den quantitativen Schutz von Art. 7 Abs. 2 FusG könnte die Kontinuität der Mitgliedschaft durch hohe Barabfindungen ausgehöhlt werden. Diese Bestimmung schützt die einzelnen Anteilsinhaber individuell. Von Gesetzes wegen hat der Gesellschafter der übertragenden Einheit Anspruch darauf, dass die Entschädigung für seine bisherigen Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte wertmässig zu mindestens 90 % aus Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft besteht. Von diesem Grundsatz kann nur mit der Zustimmung des einzelnen Gesellschafters oder mit einem qualifizierten Fu­­sionsbeschluss abgewichen werden.589 Die Modalitäten betreffend Ausgleichszahlung müssen im Fusionsvertrag festgelegt (Art. 13 Abs. 1 lit. b FusG) und im Fusionsbericht erläutert werden (Art. 14 Abs. 3 lit. c FusG).

325

Eine Fusion mit Ausgleichszahlung kann von den Gesellschaftern mit dem ordentlichen Quorum gemäss Art. 18 Abs. 1–4 FusG genehmigt werden. Eine Überschreitung der gesetzlich vorgesehene 10 %-Grenze stellt eine Verletzung der mitgliedschaftlichen Kontinuität dar, weshalb sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen stellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Verletzung der mitgliedschaftlichen Kontinuität nicht in jedem Fall wirtschaftlich relevant sein muss.590 Sofern nicht der Kerngehalt der mitgliedschaftlichen Kontinuität in seiner materiellen Tragweite verletzt ist, kann eine Verletzung der 10 %-Grenze von den Gesellschaftern nur über die Anfechtungsklage nach Art. 106 FusG angefochten werden.591 Wenn ein entsprechender Verstoss mit einer vermögensrechtlichen Verletzung des Prinzips der Kontinuität der Mitgliedschaft einhergeht, steht den Gesellschaftern zusätzlich auch die Über­prüfungsklage nach Art. 105 FusG offen.592 Allerdings wird sich die Frage der Anfechtbarkeit in der Praxis wohl gar nicht stellen, da aus systematischer Sicht kein Grund für eine Umgehung der 10 %-Grenze besteht. Die Ausgleichszahlung muss aus frei verfügbarem Eigenkapital der übernehmenden Gesellschaft erfolgen.593 Als Teil des Umtauschverhältnisses muss der Ausgleich angemessen sein.

1.3 Abfindungen
326

Der Fusionsvertrag kann vorsehen, dass anstatt Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten eine Abfindung ausgerichtet wird, und zwar entweder wahlweise (Art. 8 Abs. 1 FusG) oder zwangsweise, durch Beschluss mit einem Quorum von 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter der übertragenen Gesellschaft (Art. 8 Abs. 2 und 5 FusG). Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist es zulässig, den Gesellschaftern anstelle eines festen Umtauschverhältnisses (d.h. nebst Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten) auch eine Kombination aus einer Abfindung und Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten zur Wahl anzubieten.594 Art. 8 FusG ­enthält damit eine bedeutsame Ausnahme vom Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft nach Art. 7 FusG, jedoch nur zugunsten bzw. zulasten der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft. Zwar werden die Gesellschafter, die mit einer Abfindung entschädigt werden können, in Art. 8 FusG nicht genannt. Aus Art. 7 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 5 FusG folgt jedoch, dass dies nur die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft sein können.595 Das Fusionsgesetz gewährt den Gesellschaftern im Übrigen keinen Anspruch auf eine Abfindung oder die Einräumung eines Wahlrechts. Ein solcher kann ihnen höchstens aufgrund des auf die jeweilige Gesellschaftsform anwendbaren Rechts zustehen.596

327

Die Art der Abfindung wird im Fusionsgesetz nicht festgelegt. Infrage kommen hier nebst Bar- bzw. Buchgeld auch bargeldnahe, leicht verwertbare Sachwerte. Als Leitlinie für die Art der Abfindung können die im Zusammenhang mit der Sachdividende bei Aktiengesellschaften entwickelten Grundsätze herangezogen werden.597 Nicht als Abfindung gilt die Zuteilung eines Rechts, das dem Empfänger die Stellung eines Gesellschafters oder Mitglieds bei der ­übernehmenden Gesellschaft vermittelt. Dabei sind juristische Kriterien für die Abgrenzung massgebend und nicht wirtschaftliche. Anteilsrechte an einer (kotierten) Muttergesellschaft gelten beispielsweise als Abfindung, wenn ihre Tochtergesellschaft ein Drittunternehmen mittels Fusion übernimmt und deren Gesellschafter nicht Anteilsrechte der Tochter, sondern eben der Mutter erhalten sollen.598 Diese sogenannte Dreiecksfusion unterliegt der Regel von Art. 8 Abs. 2 FusG und verlangt bei der übertragenden Gesellschaft das qua­lifizierte Quorum von Art. 18 Abs. 5 FusG.599 Denkbar ist in einem solchen Fall, dass den Minderheitsaktionären ein Wahlrecht zwischen einer Abfindung und entsprechenden Aktien der Muttergesellschaft eingeräumt wird. Trotz eines solchen Wahlrechts liegt jedoch eine zwangsweise Abfindung gemäss Art. 8 Abs. 2 FusG vor, sodass Art. 18 Abs. 5 FusG zwingend zu beachten ist.600

328

Bei der betragsmässigen Festsetzung einer Abfindung kommt den verantwortlichen Exekutivorganen ein erheblicher Ermessensspielraum zu.601 Durch die Abfindung sollen die Gesellschafter der übertragenden Einheit wirtschaftlich nicht schlechtergestellt werden als vor der Transaktion. Unterschreitet die Abfindung diesen Wert, so ist sie regelmässig unangemessen. Da unter Umständen auch dem Austrittsrecht ein Wert zukommen kann, besteht die Möglichkeit, dass die wahlweise Abfindung, nicht jedoch die Zwangsabfindung, unter dem wirklichen Wert liegt.602 Die Summe aller Abfindungen muss aus frei ­verwendbaren Eigenmitteln der übernehmenden Gesellschaft finanziert werden.603 Hat der Gesellschafter eine Wahl zwischen Abfindung und Anteilsrechten nach Art. 8 Abs. 1 FusG, so müssen Umfang und Ausübungsmodalitäten der Abfindung im Fusionsvertrag klar festgehalten (Art. 13 Abs. 1 lit. f FusG) und im Fusionsbericht erläutert werden (Art. 14 Abs. 3 lit. d FusG). Den Gesellschaftern ist darin insbesondere mitzuteilen, in welcher Form und innert welcher Frist sie vom eingeräumten Wahlrecht Gebrauch machen können. Gesetzliche Vorgaben dazu bestehen keine, doch wird ein schriftlicher Nachweis unerlässlich sein, weil davon abhängt, ob jemand Gesellschafter bleibt oder einen Ausstieg vorzieht. Da mit der bloss wahlweisen Abfindung keinem Gesellschafter gegen seinen Willen eine Abfindung aufgezwungen wird, kann der Fusionsbeschluss in diesem Fall mit dem ordentlichen Quorum nach Art. 18 Abs. 1–4 FusG gefällt werden.

329

Ist die Abfindung für die Minderheitsgesellschafter der übertragenden Einheit im Fusionsvertrag gemäss Art. 8 Abs. 2 FusG zwingend vorgesehen, so sind die Gründe dafür im Fusionsbericht besonders zu erläutern (Art. 14 Abs. 3 lit. d FusG). An die vorgebrachten Gründe werden jedoch mit Ausnahme des Rechtsmissbrauchsverbots keine materiellen Anforderungen gestellt.604 Überdies ist nach Art. 18 Abs. 5 FusG für die Fusion mit zwangsweiser Abfindung die Zustimmung von mindestens 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft erforderlich. Mit anderen Worten können Minderheiten, die weniger als 10 % der Stimmrechte kontrollieren, durch eine Abfindungsfusion zum Austritt aus der Gesellschaft gezwungen werden («squeeze-out»). Der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft ist in diesem Umfang aufgehoben.605 Die Berechnung des Quorums gemäss Art. 18 Abs. 5 FusG wird in der Literatur mangels Hinweisen in Gesetz und Botschaft in verschiedener Hinsicht kontrovers diskutiert. Nach der hier vertretenen Meinung ist grundsätzlich auf die Anzahl der Gesellschafter (Kopfstimmprinzip) abzustellen und das Beschlussquorum von 90 % rechtsformspezifisch auszulegen. Bei der Aktiengesellschaft wird somit das 90 %-Quorum erreicht, wenn sich 90 % der an der Generalversammlung vertretenen Aktienstimmen sowie die absolute Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte für die Abfindungsfusion aussprechen.606