4. Kündigungsmodalitäten und Vertragsänderung

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Die mit der Vermögensübertragung verbundene Umstrukturierung kann den Abbau von Arbeitsstellen notwendig machen. Das Fusionsgesetz sieht keinen besonderen Kündigungsschutz vor. Der übertragende sowie der übernehmende Rechtsträger können daher – unter Beachtung der allgemeinen arbeitsrecht­lichen Kündigungsschutzbestimmungen1885 und Sondervorschriften für Massenentlassungen1886 – Arbeitsverhältnisse jederzeit durch Kündigung mit ordentlicher Frist nach Art. 335 ff. OR auflösen. Kündigungen aus wirtschaft­lichen oder organisatorischen Gründen, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung ausgesprochen werden, sind grundsätzlich nicht missbräuchlich. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung dürfte aber in der Regel nicht vorliegen; der Übergang des Arbeitsverhältnisses stellt für sich allein genommen keinen wichtigen Grund dar.1887

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Zulässig sind auch die praktisch wichtigen Änderungskündigungen, bei denen das bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt und gleichzeitig ein neues, modifiziertes offeriert wird.1888 Bei Änderungskündigungen steht nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Vordergrund, sondern die Weiterführung mit modifizierten Rechten und Pflichten. Missbräuchlich i.S.v. Art. 336 OR ist die Änderungskündigung nur dann, wenn der übernehmende Rechtsträger sein Kündigungsrecht als Druckmittel benutzt, um eine unbillige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen, wie beispielsweise eine sofortige Lohnreduktion unter Missachtung der Kündigungsfrist.1889 In der Praxis werden den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse übergehen, häufig neue Arbeitsverträge zur Unterzeichnung vorgelegt, die dem Standard des übernehmenden Rechtsträgers entsprechen. Die neuen Verträge können die bestehenden Arbeitsbedingungen ändern.

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Kommt es im Zuge einer Vermögensübertragung zu Kündigungen des Arbeitgebers, so besteht die erwähnte Konsultationspflicht gegenüber der Arbeitnehmervertretung oder, falls keine solche besteht, direkt gegenüber der Arbeitnehmerschaft.1890 Ist im Zusammenhang mit der Vermögensübertragung eine Massenentlassung i.S.v. Art. 335d OR geplant, so muss das Konsultationsverfahren i.S.v. Art. 335f OR durchgeführt werden.1891 In zeitlicher Hinsicht muss die Konsultation bei Massenentlassungen wie jene nach Art. 77 Abs. 1 FusG grundsätzlich zwischen dem Abschluss des Übertragungsvertrags und der Handelsregisteranmeldung erfolgen. Weiter muss der Arbeitgeber gemäss Art. 335g OR die Massenentlassung dem kantonalen Arbeitsamt anzeigen. Wird diese Anzeige verzögert, so wirkt sich das auf den Ablauf der Kündigungsfristen aus: Der Arbeitgeber kann die Kündigungen zwar auf den im jeweiligen Vertrag oder im Gesetz vorgesehenen Termin hin aussprechen, doch enden die gekündigten Arbeitsverhältnisse gemäss Art. 335g Abs. 4 OR frühestens 30 Tage nach der Anzeige an das Arbeitsamt.1892

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Darüber hinaus enthält das Obligationenrecht nur vereinzelt Kündigungsschutzbestimmungen, die spezifisch für die Vermögensübertragung relevant sind. So ist etwa bei Massenentlassungen eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie ohne Durchführung eines Konsultationsverfahrens ausgesprochen wird (Art. 336 Abs. 2 lit. c OR). Eine gewöhnliche Kündigung (ausserhalb einer Massenentlassung) unter Missachtung der vermögensübertragungsspezifischen Konsultationspflicht (Art. 77 Abs. 1 FusG i.V.m. Art. 333a Abs. 2 OR) ist nicht missbräuchlich; sie kann aber dazu führen, dass ein Gericht auf Antrag der Arbeitnehmer nach Art. 77 Abs. 2 FusG die Eintragung der Vermögensübertragung ins Handelsregister untersagt (Handelsregistersperre). Ein besonderer Kündigungsschutz besteht für gewählte Arbeitnehmervertreter (Art. 336 Abs. 2 lit. b OR und Art. 336 Abs. 3 OR). Im Falle einer missbräuchlichen Kündigung räumt Art. 336a OR den entlassenen Arbeitnehmern einen Entschädigungsanspruch ein.