4. Rechtsbehelfe

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Das Fusionsgesetz gewährt den Gesellschaftern zur Durchsetzung ihrer Rechte in Art. 105 ff. spezifische Rechtsbehelfe.1764 Bei der Vermögensübertragung von vornherein ausgeschlossen ist die Überprüfungsklage nach Art. 105 FusG, mit welcher eine unangemessene Wahrung der Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte gerügt werden kann. Dieser Rechtsbehelf steht nach dem Wortlaut des Gesetzes nur bei Fusionen, Spaltungen oder Umwandlungen zur Verfügung, nicht aber bei Vermögensübertragungen, da Letztere keine mitgliedschaftsrechtliche Komponente aufweisen. Somit bleibt noch zu prüfen, ob und inwieweit die Anfechtungsklage nach Art. 106 FusG sowie die Verantwortlichkeitsklage nach Art. 108 FusG bei der Vermögensübertragung eine Rolle spielen.

4.1 Anfechtungsklage
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Fraglich ist, ob den Gesellschaftern der an einer Vermögensübertragung be­­teiligten Rechtsträger die Anfechtungsklage nach Art. 106 FusG offensteht. Dies ist einerseits bereits aufgrund des Wortlauts von Art. 106 Abs. 1 FusG ausgeschlossen, in welchem ausdrücklich nur von der Anfechtung der Beschlüsse über Fusionen, Spaltungen oder Umwandlungen die Rede ist.1765 Abgesehen davon unterliegt die Vermögensübertragung keiner Beschlussfassung der Gesellschafter: Nach Art. 70 Abs. 1 FusG ist das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan für den Abschluss des Übertragungsvertrags im Normalfall alleine zuständig, ohne dass eine zusätzliche Genehmigung durch die Gesellschafter erforderlich wäre.

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Andererseits wird im Titel des fünften Abschnitts des Fusionsgesetzes die Anfechtung von Vermögensübertragungen ausdrücklich erwähnt. Gemäss Art. 106 Abs. 2 FusG können die Gesellschafter den Beschluss über eine Transaktion auch anfechten, wenn er vom obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgan gefällt wurde. Gemäss Botschaft und einem Teil der herrschenden Lehre erfasst diese Bestimmung nicht nur den Beschluss der obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgane bezüglich der erleichterten Fusion von Kapitalgesellschaften1766, sondern auch den Beschluss des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans über den Abschluss eines Vermögensübertragungsvertrags.1767

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Unseres Erachtens findet die Anfechtungsklage nach Art. 106 FusG bei Vermögensübertragungen keine Anwendung.1768 Der Gesetzeswortlaut ist offensichtlich ambivalent, da der Titel und der Wortlaut der Bestimmung von Art. 106 FusG nicht übereinstimmen. Für die Vermögensübertragung ist kein (anfechtbarer) Beschluss der Gesellschafter notwendig. Die ausnahmsweise Zulassung der Anfechtung von Verwaltungsratsbeschlüssen nach Art. 106 Abs. 2 FusG widerspricht der üblichen gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung1769 und sollte nicht über die Fälle der erleichterten Fusion von Kapitalgesellschaften hinaus ausgedehnt werden. Zudem hätte bei der Vermögensübertragung eine Anfechtungsklage der Gesellschafter infolge Verletzung von Vorschriften des Fusionsgesetzes kaum praktische Bedeutung, da das Fusionsgesetz bei der Vermögensübertragung ausser der nachträglichen Informationspflicht nach Art. 74 FusG kaum Schutzvorschriften zugunsten der Gesellschafter enthält.1770

4.2 Verantwortlichkeitsklage
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Gemäss Art. 108 FusG können die Gesellschafter die mit der Vermögensübertragung befassten Personen für den Schaden verantwortlich machen, den diese aufgrund einer Pflichtverletzung verursacht haben.1771 Im Gegensatz zur – u.E. bei der Vermögensübertragung nicht möglichen – Anfechtung nach Art. 106 FusG besteht hinsichtlich der Verantwortlichkeitsklage keine Beschränkung auf Verletzungen nur der Vorschriften des Fusionsgesetzes. Typisches Beispiel wäre etwa die Rüge, der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft habe bei der Aushandlung des Übertragungsvertrags seine Sorgfalts- und Treuepflicht nach Art. 717 OR verletzt, weil keine adäquate Gegenleistung vereinbart worden sei. Die Bestimmung der Gegenleistung ist allerdings ein Geschäftsentscheid innerhalb eines weiten Ermessensspielraums.1772 Ihre Angemessenheit ist – von klaren Fällen von Interessenkonflikten oder krass unsorgfältigem Vorgehen abgesehen – naturgemäss nur schwer überprüfbar. Haftbar sind grund­sätzlich alle mit der Vermögensübertragung befassten Personen. Durch den Verweis in Art. 108 Abs. 3 FusG auf verschiedene Verantwortlichkeitsbestimmungen im Aktienrecht (Art. 756 OR; Art. 759 und 760 OR) gelangen die entsprechenden Regelungen für alle beteiligten Rechtsträger zumindest sinngemäss zur Anwendung, und zwar unabhängig von deren Rechtsform.1773