4. Zulässige Fusionen

70

In Art. 4 FusG wird mit Bezug auf die jeweilige Rechtsform der beteiligten Gesellschaften abschliessend aufgezählt, welche Gesellschaften miteinander fusionieren können.105 Dieser gesetzlich verankerte Numerus clausus schränkt die Möglichkeiten der rechtsformübergreifenden Fusionen ein. Ansonsten ist der Katalog bewusst weit gefasst, um der praktischen Vielfalt möglicher Fu­­sionen Rechnung zu tragen. Nur in Fällen «qualifizierter Inkompatibilität» soll eine Fusion ausgeschlossen sein.106

71

Die Aufzählung in Art. 4 FusG gilt für Gesellschaften i.S.v. Art. 2 lit. b und c FusG. Zu ihnen gehören Aktiengesellschaften (darunter fällt auch die SICAF), Kommanditaktiengesellschaften, GmbH, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie Vereine und Genossenschaften, sofern sie keine Vorsorgeeinrichtungen gemäss Art. 2 lit. i FusG sind. Nicht fusionieren dürfen Einzel­unternehmen, Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen, SICAV und alle anderen Organisationsformen, die nicht Rechtsträger i.S.v. Art. 2 lit. a FusG sind, und zwar weder in der Rolle als übernehmende noch als übertragende Einheit. In Konstellationen, in denen eine Fusion nicht zulässig ist und folglich nicht fusioniert werden kann, lässt sich mit der Vermögensübertragung nach Art. 69 ff. FusG in vielen Fällen ein aus der Sicht des Erwerbers wirtschaftlich vergleichbares Ergebnis erzielen.107

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Die Fusionen von Gesellschaften gleicher Rechtsform sind ohne Einschränkung zulässig.108 Kapitalgesellschaften und Genossenschaften können untereinander ebenfalls ohne Einschränkung fusionieren.109 Einschränkungen gelten dagegen, wo eine rechtsformübergreifende Fusion eine Kapitalsperrquote beseitigen könnte.110 Kollektiv- und Kommanditgesellschaften können deshalb nur als übertragende Gesellschaft mit Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften fusionieren, nicht aber in der Rolle der übernehmenden Gesellschaft.111 Sind Genossenschaften an einer Fusion beteiligt, sind Erleichterungen generell ausgeschlossen.112

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Vereine können untereinander ohne Einschränkungen fusionieren. Ist ein ­Verein entweder freiwillig oder aufgrund von Art. 61 Abs. 2 ZGB ins Handelsregister eingetragen, dann kann er von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften übernommen werden oder selber Genossenschaften ohne Anteil­scheine übernehmen (Art. 4 Abs. 4 FusG). Unter Umständen muss eine Genossenschaft ihr Kapital zuerst vollständig herabsetzen, bevor ein Verein sie mittels Fusion übernehmen kann.113 Vereine sind in der Schweiz als Organi­sationsform für nicht kommerzielle Zwecke weit verbreitet. Organisation und Rechnungswesen sind typischerweise einfacher gehalten als bei Handels­gesellschaften. Das Fusionsgesetz sieht deshalb diverse Erleichterungen für die Fusion von Vereinen vor. Bei Vereinsfusionen fällt der Fusionsvertrag schlanker aus, ein Fusionsbericht ist nicht erforderlich und die Fusionsbeschlüsse der Vereinsversammlungen müssen nicht öffentlich beurkundet werden.114

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Weitere Einschränkungen für die Zulässigkeit der Fusion ergeben sich aus Art. 5 und 6 FusG: Befindet sich eine Gesellschaft in Liquidation, so kann sie sich als übertragende Gesellschaft an einer Fusion nur beteiligen, wenn mit der Vermögensverteilung noch nicht begonnen wurde (Art. 5 FusG). Weist eine Gesellschaft einen Kapitalverlust aus oder ist sie überschuldet, so kann sie nur fusionieren, wenn die übernehmende Gesellschaft über frei verwendbares Eigenkapital verfügt oder die Gläubiger der an der Fusion beteiligten Gesellschaften in entsprechendem Umfang einen Rangrücktritt erklären (Art. 6 FusG).

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Das Fusionsgesetz unterscheidet zwischen Fusionen unter Gesellschaften i.S.v. Art. 2 lit. b und c FusG einerseits und Fusionen unter Beteiligung von Stif­tun­gen (Art. 80 ff. ZGB), Vorsorgeeinrichtungen115 oder Instituten des öffentlichen Rechts116 andererseits. Aufgrund ihrer besonderen Charakteristika werden die Fusionen unter Beteiligung der letztgenannten Rechtsträger nicht in Art. 3 ff. FusG, sondern in besonderen Bestimmungen geregelt.117 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich deshalb nur auf Fusionen von Gesellschaften. Auf die Einzelheiten der Fusion von Stiftungen, Vorsorgeeinrichtungen oder Instituten des öffentlichen Rechts wird separat eingegangen. Dennoch sei hier kurz die Zulässigkeit solcher Fusionen aufgezeigt: Gemäss Art. 78 Abs. 1 FusG können Stiftungen nur mit anderen Stiftungen fusionieren. Dasselbe gilt nach Art. 88 Abs. 1 FusG für Vorsorgeeinrichtungen: Auch diese können nur untereinander fusionieren. Für Institute des öffentlichen Rechts sieht Art. 99 Abs. 1 lit. a FusG schliesslich vor, dass diese ihr Vermögen durch Fusion auf Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine oder Stiftungen übertragen können.

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Überblick über die zulässigen Fusionen

Übernehmender Rechtsträger

Übertragender
Rechtsträger

Einzelunternehmen

Kollektivgesellschaft

Kommanditgesellschaft

Aktiengesellschaft/SICAF

Kommandit-
aktien­gesellschaft

GmbH

Genossenschaft mit Anteilscheinen

Genossenschaft ohne Anteilscheine

Verein

Stiftung

Vorsorgeeinrichtung

Institut des öffentlichen Rechts

SICAV

Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen

Einzelunternehmen

Kollektivgesellschaft

F

F

F

F

F

F

F

Kommandit­gesellschaft

F

F

F

F

F

F

F

Aktiengesellschaft/SICAF

F

F

F

F

F

Kommandit-
aktien­gesellschaft

F

F

F

F

F

GmbH

F

F

F

F

F

Genossenschaft mit Anteilscheinen

F

F

F

F

F

Genossenschaft ohne Anteilscheine

F

F

F

F

F

F*

Verein

F*

F*

F*

F*

F*

F

Stiftung

F

Vorsorgeeinrichtung

F

Institut des öffent­lichen Rechts

F

F

F

F

F

F

F

SICAV

Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen

Legende:

F

Zulässige Fusion

*

In diesem Fall muss der Verein im Handelsregister eingetragen sein

Basierend auf Botschaft, 4523