1. Angemessenheitsprüfung

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Gegenstand der Klage ist das transaktionsspezifische Umtauschverhältnis. Dieses muss im Fusions- oder Spaltungsvertrag2192 bzw. im Spaltungs- oder Umwandlungsplan2193 festgelegt und im entsprechenden Transaktionsbericht erläutert werden.2194 Bei Transaktionen mit Kapitalgesellschaften prüft zudem ein zugelassener Revisionsexperte, ob das Umtauschverhältnis in einem an­­gemessenen Vorgehen festgelegt wurde und insgesamt vertretbar ist.2195 Diese Bestimmungen schaffen Transparenz und schützen die Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter bereits präventiv. Die Überprüfungsklage steht so gesehen an letzter Stelle einer Reihe von Massnahmen, welche die In­­ter­essen der Gesellschafter schützen.

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Klagegrund ist die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses (Art. 105 Abs. 1 FusG). Das Fusionsgesetz bestimmt, welche Grundsätze beim Festlegen des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen sind. Bei der Fusion und der Spaltung von Kapitalgesellschaften2196 kommt dem Vermögen der beteiligten Gesellschaften eine vorrangige Bedeutung zu.2197 Mit Vermögen ist der Unternehmenswert der beteiligten Gesellschaften gemeint, der nach anerkannten Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre zu ermitteln ist.2198 Nebst dem Vermögen sind die Verteilung der Stimmrechte und alle anderen relevanten Umstände zu berücksichtigen.2199 Das Umtauschverhältnis ist i.S.v. Art. 105 Abs. 1 FusG angemessen, wenn es die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, in der Methodik und im Vorgehen nach den Regeln der Kunst ermittelt wurde und im Ergebnis einleuchtend ist.

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Das Festlegen des Umtauschverhältnisses gehört von Gesetzes wegen zu den strategischen Führungsaufgaben der obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgane der involvierten Gesellschaften.2200 Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe steht den verantwortlichen Personen innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein gewisser Ermessensspielraum zu. Es handelt sich um einen Geschäftsentscheid. Das pflichtgemäss ausgeübte Ermessen eines Exekutivorgans soll nicht durch das Ermessen des Gerichts ersetzt werden. Die Überprüfungsklage dient nur dazu, pflichtwidrige Ermessensüberschreitungen zu korrigieren.2201

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In seiner bisherigen Praxis hat das Bundesgericht die Schwelle für eine richterliche Korrektur des Umtauschverhältnisses hoch angesetzt. Die Festsetzung des Umtauschverhältnisses wird als «ausgehandelter Geschäftsleitungsentscheid» qualifiziert, welcher nur zurückhaltend auf die justiziable Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses hin überprüft wird. Von einem solchen Ungleichgewicht geht das Bundesgericht nur aus, wenn das Umtauschverhältnis in Überschreitung des Ermessensspielraums willkürlich festgesetzt wird, wenn die Abfindung auf falschen oder unvollständigen tatsächlichen Annahmen beruht oder anerkannte Bewertungsgrundsätze und -methoden nicht oder unzutreffend angewendet wurden.2202

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Diese Zurückhaltung bei der Nachprüfung von Bewertungsentscheiden er­­scheint im Rahmen von Art. 105 FusG sachgerecht, wenn die mit der Bewertung befassten Personen über die notwendige Sachkompetenz verfügten, Kenntnis aller für die Bewertung relevanten Umstände hatten und ihre Aufgabe unbefangen und unabhängig im besten Interesse der Gesellschaft verrichteten. Das angewandte Bewertungsverfahren muss anerkannt sein und Gewähr dafür bieten, dass die im Fusionsgesetz erwähnten relevanten Umstände berücksichtigt werden (Art. 7 Abs. 1 FusG). Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses indiziert. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich ein zugelassener Revisionsexperte die Vertretbarkeit des Umtauschverhältnisses und die Angemessenheit der angewandten Bewertungsmethode bescheinigte.2203 Letztlich handelt es sich dabei wohl um einen Anwendungsfall der «Business Judgement Rule», die für das Aktienrecht entwickelt wurde.2204